Kreislaufwirtschaft
Bei der Herstellung von neuen Baumaterialien fallen grosse Mengen Treibhausgasse an. Wird ein Bauwerk oder Bauteil erhalten, so bleibt es im «Kreislauf» und es kann weiter ein Nutzen aus den in der Vergangenheit ausgestossenen Emissionen gezogen werden.
Gleichzeitig werden so Emissionen in der Gegenwart vermieden, die für die Herstellung neuer Bauteile ausgestossen werden müssten (Substitution). Ausserdem wird die Entsorgung im Quellobjekt vermieden.
ReUse
Wird ein Bauteil oder Material an einem Ort ausgebaut und an einem neuen Ort wiederverwendet, spricht man von «ReUse».
Doch auch Wiederverwendung ist nicht emissionsfrei. Es entstehen Emissionen für die Demontage aus der Bauteilmine (RU1), für den Transport (RU2), die Aufarbeitung (RU3) und den Wiedereinbau (RU5). Ausserdem muss das Bauteil am Ende des zusätzlichen Nutzungszyklus entsorgt werden.
Diese Emissionen bleiben vergleichsweise klein, je geringer die Transportdistanz ist und je einfacher Demontage, Aufarbeitung und Wiedereinbau. Insbesondere sollten energieintensive Prozesse und Materialien z.B. für neue Anschlüsse minimiert werden.
Ob ein Material wiederverwendet werden kann, hängt von vielen Faktoren ab, z.B. davon wie es bisher verbaut war oder ob es Schadstoffe enthält. Dies ist unabhängig vom EcoTool zu prüfen.
ReUse-Faktor im EcoTool
Im EcoTool lassen sich Bauteilschichten im Bereich Bauteiloptimierung als «ReUse» markieren (sowie Fenster im Bereich Gebäudeoptimierung).
Durch Aktivieren des Switchers «ReUse» erhält das Material eine reduzierte Ökobilanz. Hierfür sind in der Datenbank vereinfachte ReUse-Faktoren hinterlegt, welche von unserem Partner Zirkular berechnet wurden.
Um mit wenigen Informationen in frühen Projektphasen bereits eine Aussage zu den durch ReUse verursachten Emissionen treffen zu können, wurde für alle grundsätzlich wiederverwendbaren Bauteile eine standardisierte Beispielrechnung durchgeführt.
Die daraus abgeleiteten ReUse-Faktoren kommen wie folgt zur Anwendung:
Für alle ReUse-Bauteile wurden die Einsparungen gegenüber einem identischen Neubauteil ermittelt. Um der Unschärfe gerecht zu werden, wurden alle ermittelten Werte in 5%-Schritten abgerundet.
Beispiele:
- Aus einer errechneten theoretischen Einsparung von z.B. 98% wird der ReUse-Faktor 95%. Das bedeutet, EcoTool setzt das ReUse-Material mit 5% der Emissionen eines identischen Neumaterials an.
- Aus einer errechneten Einsparung von 69% wird der ReUse-Faktor 65%. Im EcoTool wird das ReUse-Material mit 35% der Emissionen eines identischen Neumaterials angesetzt.
Bei geringen Aufarbeitungen (z.B. Stahlblech nur putzen, nicht neu lackieren) und einer effizienten, materialarmen Montage lassen sich akzeptable Abschätzungen treffen.
Zu einem späteren Projektstand können genauere Rechnungen erstellt werden, diese sind im EcoTool allerdings nicht abgedeckt.
Methodik und Datengrundlage ReUse-Faktor
Noch gibt es wenige gebaute Beispiele der Wiederverwendung und entsprechend dünn ist die Datenlage, um in frühen Projektphasen Abschätzungen zu den Emissionen der ReUse-Bauteile treffen zu können. Gerade zu den Prozessschritten der Aufarbeitung müssen weiter Daten gesammelt werden, um diese besser bewerten zu können.
Stand August 2024 gibt es in der Schweiz keine verbindliche Methodik zur Bilanzierung von ReUse-Bauteilen. Die von Zirkular für die Ermittlung der ReUse-Faktoren verwendete Betrachtungsweise entspricht dem Vorschlag aus dem Vernehmlassungsentwurf der noch unveröffentlichte Klimapfadnorm FprSIA 390/1. Dabei wird dem ReUse-Bauteil zusätzlich zu den Modulen RU1-RU5 der pauschale Entsorgungswert gemäss KBOB-Liste zugerechnet. [1]
In den Materialdaten sind die Produktion (A1- A3) und die Entsorgung (C1- C4) jedes Materials bereits zusammengefasst. Ebenso sind Werte für Transporte (RU2) enthalten.
Da die Demontage aus der Bauteilmine (RU1) und die Aufarbeitung (RU3) bisher nicht in der KBOB-Liste enthalten sind, wurden die nötigen Maschinen- und Materialaufwände von Zirkular abgeschätzt.
[1] B.3.1.6 Die Bilanz im Bereich Erstellung von wiederverwendeten Bauteilen berechnet sich sinngemäss nach SIA 2032 und berücksichtigt die Aufwendungen für die Demontage der Bauteile, den Transport in ein Warenlager in der Schweiz, alle Aufwendungen für die Aufbereitung und Ergänzung des Bauteils sowie den Aufwand für die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus. Der Aufwand für den Transport vom Warenlager in der Schweiz auf die Baustelle und für die Montage auf der Baustelle wird vernachlässigt gemäss SIA 2032:2020, Ziffer 3.4.2.
Messgrössen
Der ReUse-Faktor ist für die drei im EcoTool bereits bestehenden Messgrössen separat kalkuliert worden.
Treibhausgasemissionen (THG)
Die Basisberechnung für die ReUse-Faktoren beruht auf THG in
kg CO2-eq.
Graue
Energie (nicht erneuerbar Primärenergie (PNER))
Für die ReUse-Faktoren wurden die Module RU1 und RU3 mittels der Werte für
«Diesel in Baumaschinen» von kg CO2-eq in kWh oil-eq umgerechnet.
Umweltbelastungspunkte (UBP)
Für die ReUse-Faktoren wurden die Module RU1 und RU3 mittels
der Werte für «Diesel in Baumaschinen» von kg CO2-eq in UBP umgerechnet.
Ermittlung vereinfachter ReUse-Faktoren
Berücksichtigte Grössen der Lebenszyklusmodule für die Berechnung der ReUse-Bilanz:
RU1: Demontage im Quellobjekt (inkl. leichte Aufbereitung RU3)
- Dieses Modul entspricht dem, was für ein Neubauteil das Modul A1 die Rohstoffbereitstellung ist.
- Berücksichtigt werden muss der Anteil der Baustellenemissionen für den Rückbau des entsprechenden Bauteils, dazu zählt z.B. Baustellenstrom oder Diesel in Baumaschinen.
- Für die Emissionen von Rückbauarbeiten fehlen aktuell Daten und Studien. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass es gleich viel Emissionen verursacht, egal ob 10 Schrauben gelöst werden müssen, die ein Metallblech oder eine Holzplatte halten. Generell gibt es Bauteile, die sich leicht ausbauen lassen und andere, bei denen es deutlich komplexer ist.
Aus diesen Überlegungen wurden alle Bauteile einer der drei folgenden Demontagekategorien zugeordnet:
RU2: Transport
- Dieses Modul entspricht dem, was für ein Neubauteil das Modul A2 Transporte zur und bei der Herstellung ist.
- Alle Transporte ab dem Quellobjekt, zu Zwischenlagern und Aufbereitung
- Berücksichtigt wird eine Distanz von 100 km, Transport mit einem durchschnittlichem LKW
- Die Distanz deckt z.B. die Strecke von Zürich nach Basel ab. Generell kommen solche Distanzen bei ReUse-Bauteilen vor, oft sind die Distanzen jedoch deutlich geringer. Ein Transport mit dem Güterzug würde die Emissionen zudem erheblich verringern.
RU3: Aufbereitung
- Dieses Modul entspricht dem, was für ein Neubauteil das Modul A3 Herstellung ist.
- Eine minimale Aufbereitung ist bereits im Demontagewert (siehe RU1) enthalten.
- Eine sehr aufwändige Aufarbeitung ist in dieser Abschätzung explizit nicht enthalten und es wird empfohlen, das Bauteil entweder mit einer genauen Berechnung ausserhalb des EcooTools zu bilanzieren oder den ReUse-Schalter nicht zu betätigen und den Neuwert zu verwenden. Ebenso kann durch an und abwählen des ReUse-Switchers eine Grenzwertabschätzung für solche Fälle vorgenommen werden.
- Wird das Bauteil mit neuem Material ergänzt (z.B. ein neuer Anstrich, Aufwändige Anschlüsse, neuer Überbeton bei Betonelementen) müssen diese als Neumaterial behandelt und als neue Schicht im EcoTool eingegeben werden. Für manche Bauteile ist dies im EcoTool schon so hinterlegt. Bei Mauerwerk und Bodenbelägen addiert das Tool automatisch neuen Mörtel bzw. Kleber.
RU4: (letzter) Transport zur Baustelle
- Dieses Modul entspricht dem, was für ein Neubauteil das Modul A4 Transporte zur Baustelle ist.
- Der jeweils letzte Transport zur Baustelle wird analog der Regelung für Neubauteile gemäss SIA 2032:2020 vernachlässigt. Würde ein Bauteil direkt vom Ziel- zum Quellobjekt transportiert, müsste überhaupt kein Transport berücksichtigt werden.
RU5: Wiedereinbau im Zielobjekt
- Dieses Modul entspricht dem, was für ein Neubauteil das Modul A5 Errichtung/Einbau auf der Baustelle.
- Es wird analog der Regelung für Neubauteile gemäss SIA 2032:2020 vernachlässigt.
C1-C4: Entsorgung am Ende des Nutzungszyklus
Dieses Modul ist identisch zu dem eines Neubauteils und in der KBOB-Liste tabelliert. Unter Umständen kann es hilfreich sein als Argumentarium in einem Projekt die folgenden Zusammenhänge zu berücksichtigen:
- Gemäss Bilanzierungslogik muss für alle neu auf ein Grundstück gebrachten Materialien deren Entsorgung bereits bei der Erstellung mitbilanziert werden. Quasi als vorgezogene Abfallgebühr.
- Das Entsorgungsmodul der KBOB-Liste enthält einen Durchschnittswert über alle Bauteile einer Klasse. Dabei wird gemittelt über alle Entsorgungswege. Wenn z.B. ein Dämmstoff zu 70% deponiert und zu 30% recycelt wird, wird angenommen, dass diese Aufteilung für jede neue Dämmung gilt, egal ob diese aus Primärrohstoffen oder aus Recyclingmaterial hergestellt wurde. Verschiebt sich die Recyclingquote, verbessert sich der Wert für alle Dämmstoffe dieser Art, egal ob das konkrete Produkt einen Recyclinganteil hat oder nicht. Auf dieselbe Art wird auch ein steigender ReUse-Anteil das Entsorgungsmodul positiv beeinflussen.
- Bis dieser statistische Effekt in den Daten sichtbar wird kommt es allerdings zu Doppeltzählungen von Emissionen. Und manche Materialien schneiden dadurch überdurchschnittlich schlecht ab.
- Nicht berücksichtigt wird hier, dass sie Entsorgungsemissionen bei der Wiederverwendung zunächst vermieden werden. Dies geschieht allerdings im Quellobjekt und ist aktuell nicht offiziell anrechenbar (weder im Quell- noch im Zielobjekt).
Klar ist: Würde das Zielobjekt ein Neumaterial verwenden, müsste das Quellobjekt das nicht genutzte ReUse-Material entsorgen. Findet die Wiederverwendung hingegen statt, treten die Entsorgungs-Emissionen des ReUse-Bauteils verzögert auf, sie werden gewissermassen vom Quell- ins Zielobjekt vererbt und das Neubauteil muss weder hergestellt noch entsorgt werden.
Insbesondere bei Materialien, die bei der Entsorgung verbrannt werden (Kunststoff, Holzwerkstoffe, etc.) treten (scheinbar) geringere Einsparungen durch ReUse auf. Eine Wiederverwendung scheint sich dann durch diese Doppelzählung des Entsorgungsmoduls nicht zu lohnen.
Dieser Rückschluss ist falsch. Denn tatsächlich lohnt es sich hier besonders die Verbrennung und die damit einhergehenden direkten Emissionen in die Atmosphäre zu vermeiden.
Spezialfälle und Ausnahmen
ReUse vor Ort
Stammt das ReUse-Bauteil vom selben Grundstück, auf dem es wieder verbaut werden soll, muss das Entsorgungsmodul gemäss der Bilanzierungslogik der SIA 2032:2020 / FprSIA 390/1 wie beim Bestand nicht berücksichtigt werden.
Kann dieses Bauteil einfach ausgebaut werden, wird das Bauteil zudem nicht aufwändig aufgearbeitet (z.B. abgeschliffen) und nicht zwischenzeitlich über weitere Strecken transportiert (z.B. in ein externes Lager), erscheint es legitim das Bauteil als Bestand («Bestand»-Switcher, Emissionswert null) zu betrachten und nicht als ReUse.
Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, ist man durch Auswählen des «ReUse»-Switchers auf der sicheren Seite.
Minergie Eco
Bei einer Zertifizierung nach Minergie Eco gilt Stand 2023 die folgende Regelung: «Wiederverwendete Materialien und Bauteile dürfen mit null bilanziert werden. Es ist vorgesehen, die Grenzwerte einem Absenkpfad folgend kontinuierlich sinken zu lassen. Die Details sind noch zu definieren.»
Soll diese starke Vereinfachung mit der Null-Bilanz von ReUse-Bauteilen im EcoTool abgebildet werden, kann statt dem «ReUse»-Switcher der «Bestand»-Switcher ausgewählt werden.
Dieser Text wurde in Zusammenarbeit mit Zirkular erstellt.
Zirkular ist ein Fachplanungsbüro und Pionier für das Bauen im Kreislauf. Die Fachplaner:innen und Bauteiljäger:innen setzen sich für die künftige Wiederverwendung und Weiternutzung von Gebäuden und ihrer Bauteile ein.
Zirkular begleitet und berät Projekte sowie Wettbewerbe und fördert die Forschung und Ausbildung im Bereich des zirkulären Bauens.
2020 aus dem baubüro in situ hervorgegangen, beschäftigt Zirkular rund 25 Mitarbeitende und blickt auf 25 Jahre Engagement im Bereich des nachhaltigen Bauens zurück.
Weitere Informationen: www.zirkular.net